Loslassen für Profis – Teil 2
Erschütternde Nachrichten erreichen mich aus Spanien, wo – wie bereits erwähnt – Sohn Nr. 2 zum Auslandssemester weilt: In ganz Madrid gibt es anscheinend keinerlei vegetarische Wurst- oder Fleischwaren – ist das zu fassen?! Damit bestätigen sich meine übelsten Befürchtungen – das Kind ist in einer kulinarischen Wüstenregion gelandet, und wird höchstwahrscheinlich demnächst einen qualvollen Hungertod erleiden. Ein Schreckensszenario, welches mit Sicherheit jeder liebenden Mutter Albträume beschweren würde. Keine Frage – es besteht akuter Handlungsbedarf… sofortige Erste-Hilfe-Maßnahmen müssen eingeleitet werden! Also in Windeseile Flugticket nach Madrid gebucht, und sich mit einer großen Menge vegetarischer Schnitzel im Gepäck auf den Weg ins Gemüsefeindliche Ausland begeben…
Doch bereits am Flughafen drohen ernsthafte Probleme – ungeachtet meiner wichtigen Rettungsmission will man mir verweigern, die dazu dringend benötigten Utensilien mitzuführen… nein, nicht die vegetarischen Schnitzel… irritierenderweise geben meine ordnungsgemäß in durchsichtige Plastiktüten verpackten Basis-Kosmetika Anlass zur Beanstandung… übrigens ganz entzückend, diese winzig kleinen Fläschchen und Döschen… habe mich gleich mit dem Nötigsten eingedeckt… schließlich muss man auf Reisen stets auf alles gefasst sein… was, wenn mir mitten im spanischen Großstadtdschungel plötzlich ein Fingernageln abbricht… oder meine Frisur im hitzigen Tagesgeschehen plötzlich in sich zusammenfällt?! Nicht auszudenken… wobei die Herrschaften von der Flugsicherheitskontrolle für solche lebensentscheidenden Fragen offenbar kein Verständnis haben… völlig absurd, diese übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen… wie soll man denn in Spanien als Blondine korrekt auftreten, wenn einem dabei nur eine winzige Menge Renovierungsbedarf zur Verfügung steht?! Leider erweisen sich die Sicherheitsleute als immun gegen jegliche vernünftige Argumentation… unglaublich, was für Diletanten am Flughafen tätig sind… werde auf die Herrschaften verweisen, wenn ich bei Ankunft in Madrid wegen ungebührlicher Blässe und fehlendem Lipgloss verhaftet werde…
Was zum Glück nicht geschieht – offenbar sind die Gesichtskontrollen am Madrider Flughafen nicht ganz so streng, wie gedacht. Allerdings ist auch weit und breit kein freudestrahlender Sohn mit Willkommensbanner und gigantischem Blumenstrauß in Sicht. Merkwürdig… nicht, dass der Nahrungsmangel das arme Kind bereits derart geschwächt hat, dass es unterwegs ohnmächtig geworden ist… oder womöglich aufgrund seiner labilen Verfassung ein Opfer der hier bekanntermaßen an jeder Ecke lauernden Verbrecher wurde… Am Besten, ich informiere umgehend einen der Polizeibeamten, die gerade… ah, ein Anruf des Sohnes… Gott sei Dank… er ist noch am Leben… hat allerdings keine Zeit mich am Flughafen abzuholen… ich soll einfach die U-Bahn nehmen… würde nur eine halbe Stunde dauern… ach… äh… nun… eigentlich könnte man durchaus etwas mehr Begeisterung erwarten, wenn die heißgeliebte Mutter sich gegen alle Widerstände auf den beschwerlichen und kräftezehrenden Weg ins weit entfernte Spanien begibt…
… aber Hauptsache, dem Kind geht es gut, nicht wahr…?!